Unter uns: Diese Regeln gelten bei (vertraulichen) Gesprächen mit Journalisten

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Kürzlich habe ich in Berlin Thorsten Frei getroffen. Das ist der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion – für die Union also quasi der Manager der Macht im Parlament und damit ein sehr einflussreicher Politiker. Sollte Friedrich Merz der nächste Bundeskanzler werden, dann könnte Thorsten Frei, so wird gemunkelt, sein Kanzleramtsminister werden.

Zwei Stunden lang hat Frei einem exklusiven Kreis aus Zeitungsverlegern und Journalisten Rede und Antwort gestanden. Gerade jetzt, wo die Ampelkoalition zerbrochen ist und sich CDU/CSU auf einen kurzen Wahlkampf und einen möglichen Machtwechsel vorbereiten, hatte der Politprofi natürlich einiges zu erzählen. Und er tat es sehr offen.

Unter uns: Diese Regeln gelten bei (vertraulichen) Gesprächen mit  Journalisten

Berichten kann ich Ihnen darüber allerdings nichts. Denn wir haben das gesamte Gespräch „unter 3“ geführt – also als vertrauliches Hintergrundgespräch. Zwischen Journalisten und ihren Gesprächspartnern gibt es drei Stufen, auf die sie sich vorab einigen können:

  • Unter 1 („zur Veröffentlichung“): Die Informationen, die im Gespräch weitergegeben werden, dürfen direkt veröffentlicht werden. Der Politiker oder die Quelle darf namentlich zitiert werden. Beispiel: Ein Minister sagt in einem Interview: „Wir planen, die Steuern zu senken.“ Der Journalist kann diese Aussage veröffentlichen und den Minister direkt als Quelle nennen. Dieses „unter 1“ ist die Regel und gilt, ohne dass es jedes Mal ausdrücklich angesprochen werden muss, für fast alle Gespräche, die wir GN-Redakteure im Alltag führen.
  • Unter 2 („Hintergrundinformation“): Die Informationen dürfen veröffentlicht werden, aber ohne Nennung der Quelle oder mit einer allgemeinen Umschreibung. Statt den Namen zu nennen, wird beispielsweise „aus Regierungskreisen“, „ein hochrangiger Politiker“ oder „ein Sprecher“ verwendet. Dies dient oft dazu, Aussagen zu machen, ohne dass der Sprecher persönlich verantwortlich gemacht werden kann, oder um sensible Themen anzusprechen. Beispiel: Ein Minister sagt: „Es gibt Überlegungen, den Steuersatz zu ändern.“ Der Journalist berichtet: „Aus Regierungskreisen wurde bekannt, dass Überlegungen zur Steueränderung angestellt werden.“ In der überregionalen Berichterstattung werden Sie, liebe Leserinnen und Leser, dies recht häufig beobachten. Im Lokaljournalismus hingegen kommen solche Formulierungen eher selten vor. In der Regel können wir hier vor Ort Ross und Reiter nennen.
  • Unter 3 („vertraulich“): Die Informationen dürfen nicht veröffentlicht oder öffentlich verwendet werden. Sie dienen nur der Einordnung und dem Verständnis des Journalisten. Diese Ebene wird häufig genutzt, um Journalisten den Kontext eines Themas zu erklären oder sie auf zukünftige Entwicklungen vorzubereiten. Beispiel: Ein Minister erklärt vertraulich die internen Konflikte in seiner Partei. Der Journalist darf diese Informationen nicht veröffentlichen, aber er kann sie als Hintergrundwissen nutzen, um andere öffentliche Aussagen besser zu verstehen und einzuordnen. Das ist für Journalisten in der Bundespolitik genauso wichtig wie in der Kommunalpolitik.

Diese drei Regeln dienen der Vertrauensbildung: Sie ermöglichen es Politikern, Informationen kontrolliert weiterzugeben, ohne unbeabsichtigte politische Konsequenzen befürchten zu müssen. Zugleich sollen sie aber auch für mehr Transparenz sorgen: Journalisten können sich ein umfassendes Bild machen und Informationen nutzen, die sie ohne diese Absprachen möglicherweise gar nicht erhalten hätten. Und schließlich kann es um den Schutz einer Quelle gehen: In manchen Fällen, z.B. bei sensiblen oder kontroversen Themen, wollen oder müssen Informanten durch Wahrung ihrer Anonymität geschützt werden.

Ziel ist es also, dass Journalisten und Politiker durch diese klare Trennung von Veröffentlichungsbedingungen professionell arbeiten, ohne dass die beruflichen und politischen Interessen des jeweils anderen beeinträchtigt werden. Aber solche Absprachen ziehen auch Kritik auf sich. Schließlich können sie den Ursprung von Informationen verschleiern, was sie weniger glaubwürdig macht. Und es besteht die Gefahr, dass „unter 2“ oder „unter 3“ missbraucht wird, um Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen, ihr den gewünschten „Dreh“ zu geben, Journalisten zu instrumentalisieren oder Verantwortung abzuwälzen.

Als Lokaljournalisten verwenden wir den Ausdruck „unter 3“ nicht sehr oft. Unsere Gesprächspartner innerhalb der Grafschaft sind selten erfahrene Medienprofis, die mit solchen Fachbegriffen vertraut sind. Wenn wir (vertrauliche) Hintergrundgespräche führen, dann besprechen wir das zu Beginn so, dass alle Beteiligten genau wissen, woran sie sind. Und, ganz wichtig: Wir halten uns dann auch daran. Denn letztlich basieren diese Absprachen ausschließlich auf Vertrauen.

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