Babensham – Wer Schauspielerin Muriel Baumeister ( „In aller Freundschaft“, „Die Spreewaldklinik“, „Rosamunde Pilcher“) bei der Lesung im Draustoana Stadl erlebt hat, hatte schnell das gute Gefühl: Ein Leben ohne Alkohol muss nicht trocken sein. Vielmehr kann es voller Mut, Zuversicht und Lebensfreude stecken, wie bei Muriel Baumeister, die auf Einladung der Kreuzbund Frauengruppe Wasserburg nach Gumpertsham gekommen war.
„Wenn ich gewusst hätte, wie gut es sich mit Apfelschorle leben lässt, hätte ich viel eher zu trinken aufgehört,“ sagte die gebürtige Salzburgerin. Seit gut sieben Jahren ist sie „trocken“ und „zufrieden abstinent“. Die rund 100 Besucher im Publikum quittierten die Feststellung mit einem anerkennenden Lächeln. „Mit meiner Geschichte möchte ich den Menschen Mut machen und zeigen: Es geht weiter“, sagte Baumeister. Auf ihrem autobiografischen Streifzug ließ sie ihre Zuhörer tief blicken, ohne dabei jedoch die Leichtigkeit zu verlieren. Bei der anschließenden Gesprächsrunde blieben keine Fragen unbeantwortet.
Selbstmord des Vaters warf die Schauspielerin aus der Bahn
In den neunziger Jahren war die attraktive Mimin eine der gefragtesten Schauspielerinnen Deutschlands und der Weg schien steil nach oben zu führen. Der Selbstmord des Vaters 2004 warf Muriel Baumeister dann jedoch komplett aus der Bahn. In den Folgejahren rappelte sie sich getreu dem Familienmotto: „Courage Coco, du schaffst das“, wieder auf. Doch es gab einen weiteren Dämon zu bekämpfen. Muriel Baumeister war alkoholabhängig und wollte es lange nicht wahrhaben.
Alkohol sei auch ein Thema der Branche, sagt die Tochter einer Künstlerfamilie. Der gesellschaftliche Umgang verharmlose die Gefahren. Alkohol werde häufig als Genussmittel gesehen. Er sei leicht zu bekommen und werde oft mit einem guten Lebensgefühl verknüpft. Es sei ein Phänomen, dass man bei gesellschaftlichen Ereignissen meist erklären müsse, warum man keinen Alkohol trinke.
Glückliche Kindheit mit vielen feuchtfröhlichen Ereignissen
In ihrer Biografie schreibt die gebürtige Salzburgerin, die seit rund 20 Jahren zwischen ihrer Wahlheimat Berlin und ihrem Haus in den österreichischen Bergen hin und her pendelt, von einer glücklichen Kindheit, in der Alkohol schon immer präsent gewesen sei. Es sei in allen Lebenslagen getrunken worden und es gebe viele schöne Erinnerungen an feuchtfröhliche Ereignisse.
Ihre erste Erfahrung mit Alkohol habe sie versehentlich gemacht, als sie mit 13 einen großen Schluck aus einer vermeintlichen Wasserflasche getrunken habe. Tatsächlich sei jedoch Marillen-Brand in der Flasche gewesen. Damals habe sie sich den Finger in den Hals gesteckt und alles ausgespuckt. Jahre später habe sie sich mit Alkohol belohnt. Trinken habe ihre Selbstsicherheit und ihr Selbstwertgefühl gestärkt. Mit drei Gläsern Champagner habe sie sich „leicht angeschwipst und absolut wohl gefühlt“, erinnert sich Muriel Baumeister. Doch dann habe sie die Kontrolle verloren. „Nach 10 Gin Tonics habe ich keine nennenswerten Auswirkungen gespürt und ich brauchte immer mehr“.
Zuletzt Alkohol überall gebunkert
Auch ihre Trinkgewohnheiten hätten sich verändert. Erst habe sie allein getrunken, dann heimlich und zuletzt habe sie den Alkohol überall gebunkert. „Ich habe jeden Morgen gespuckt, doch die Symptome habe ich ignoriert und heruntergespielt. Ich habe funktioniert und auch nie während der Arbeit getrunken. Der Beruf war heilig“ berichtet die 52-jährige Mutter von drei Kindern.
2016 habe sie dann mit ihrer kleinen Tochter im Auto betrunken einen Verkehrsunfall verursacht. „Die Regenbogenpresse hat mich öffentlich gevierteilt und tot geschrieben“, sagt Muriel Baumeister. Produzenten hätten sie aus Angst vor einem Ausfall nicht mehr besetzt und ihr Leben sei ein Scherbenhaufen gewesen. Doch die „Stehauf-Frau“ hat sich ihrer Sucht gestellt. „Nie wieder Alkohol klang ausweglos und unsexy. Zudem wollte ich nicht im Stuhlkreis darüber reden, ich wollte nur lernen, kontrolliert zu trinken“, gesteht Baumeister.
Kalter Entzug in der Klinik
Die ambulante Therapie habe sie frustriert, bei einem sechswöchigen Aufenthalt in einer Suchtklinik habe sie sich als Fremdkörper gefühlt und an den freien Wochenenden habe sie zuhause weitergetrunken. Am Ende mehr als je zuvor. „Erziehung ist Vorbild und Liebe und ich war nicht die Mutter, die ich sein wollte“, bedauert die 52-jährige. Das habe ihr schließlich die Kraft gegeben, sich selbst in die Psychiatrie der Charité zum kalten Entzug einzuweisen und die Sache durchzuziehen. Alkohol habe sie komplett aus ihrem Leben verbannt, doch es gebe immer wieder Momente, wo der Blick beispielsweise an einem Glas Wein hängenbleibe. Doch dann denke sie an ihre drei Kinder und daran, dass sie den Fehler nicht wiederholen wolle. „Der Satz, ich bin Alkoholikerin macht mich frei“, sagte Muriel Baumeister am Ende der Lesung. Sie habe ihre Sucht nicht freiwillig öffentlich gemacht, aber es sei ein guter Weg gewesen. Auch beruflich habe sie wieder Fuß gefasst.
„Frauen trinken anders“
„Frauen trinken anders“, stellte Regina Hollweck von der Kreuzbund Frauengruppe Wasserburg fest. Sie erfüllten nicht das stereotype Bild des klassischen Alkoholikers. Sie stünden häufig mitten im Leben. „Frauen scheuen sich, über ihre Sucht zu sprechen, weil sie befürchten, verurteilt zu werden, dabei ist es so wichtig aus der Einsamkeit rauszukommen, erklärt die Leiterin der Kreuzbund Frauengruppe. Die Geschichte von Muriel Baumeister zeige, dass ein Leben ohne Alkohol nicht voll Trübsal und Entbehrungen sei, sondern reichhaltig und vielfältig.
Hier gibt es Hilfe
Infos und Hilfe gibt es unter anderem bei der Gastgeberin der Lesung, der Kreuzbund-Frauengruppe Wasserburg unter Leitung von Regina Hollweck, Telefon: 0160 / 23 66 374. Kreuzbund-Frauengruppe ist eine Selbsthilfevereinigung für betroffene Frauen und Angehörige von Suchtkranken.