„Unter uns“ im EinTanzHaus: Poltern, dass der Boden bebt

In den theatralen Installationen von Dimitri de Perrot spielt der Klang die Hauptrolle, die meist der Sprache vorbehalten ist. Seine neuste Schöpfung „Unter uns“, für die der renommierte Schweizer Klang-Künstler eine eigene Adaption im EinTanzHaus geschaffen hat, ist jetzt in Mannheim zu erleben.

Schuhe aus, bereit gelegte Wollsocken an, eventuell eine Decke unterklemmen, Taschen zurücklassen. Einer nach dem anderen werden die Besucher in Abständen eingelassen. Man geht durch enge hohe Gassen zwischen schwarzem Aushang. Die vorangehende Person ist gerade noch zu sehen; wenn sie abbiegt, nicht mehr. An Abbiegungen läuft man gegen hohe Spiegel und fühlt sich wie in einem beklemmend geheimnisvollen Labyrinth. Schließlich steht man im eigentlichen Theaterraum, der in der großen Kirche ganz klein ist. Schwaches diffuses Licht. Ein kniehohes rundes Podest aus schwarz gestrichenem Holz, darauf ein undeutliches Muster aus textilen Auflagen. Darüber spannt sich eine Zeltkuppel. Hinauf aufs Podest. Sich Hinlegen oder Hinhocken. Wenn alle da sind – es sind nicht sehr viele, aber mehr würden auch nicht hineingehen – beginnt es aus dem Untergrund zu knistern und zu rumpeln. Das steigert sich rasch zu donnerartigem Getöse. Danach Rauschen wie Regen, Abflauen, Stille … Wir, die wir hier wie in einer Blase eingeschlossen liegen, schwingen im Gleichklang mit der ausgeschlossenen Natur – irgendwie und irgendwie seltsam. Denn deutlich hörbar sind es nicht die Naturgeräusche, sondern künstlich gemachte.

„Unter uns“: Von unten, aus der Tiefe, kommt der Klang. Aber wir hier oben sind auch unter uns; eine Schar von Individuen, die etwas Gleiches – vermutlich? wahrscheinlich? sicher? – ungleich erleben. Dazu Dimitri de Perrot: „Klänge leben nur kurz auf und ihr Nachhall ist oft ein innerlicher, denn mit jedem Klang entstehen individuelle Assoziationen. Mich zieht diese Uneindeutigkeit an; die Ambivalenz, die Einsicht, dass ein und dasselbe für verschiedene Menschen etwas ganz anderes bedeuten kann.“

Stille nach dem Gewitter

Nehmen wir ihn beim Wort und lassen uns auf das eigene Ich ein! Nach dem Gewitter liege ich entspannt und genieße die totale Stille. Ganz leise beginnt es unter mir zu wispern und zu gluckern. Kiesel, die sich im Wasser aneinander reiben, die über größere Steine springen. Ein Bächlein, wie schön! Auch die Kuppel über mir wölbt sich freundlich. Plötzlich springt es in deren Mitte wie ein rotes Auge auf. Ein Lichtstrahl schießt daraus hervor und fällt direkt auf mich. Irritiert richte ich mich auf. Sind da noch andere Lichtstrahlen, die auf andere fallen? Ich sehe keine. Ist das so raffiniert gemacht, dass jeder denkt, der Lichtstrahl falle auf ihn, oder bilde ich mir alles nur ein? Die Zeltkuppel scheint herabzusinken und in ihr werden scharfe Grate sichtbar. Ich bin in einer Höhle und das muntere Bächlein ist der Strom, der sie in Jahrtausenden ausgewaschen hat.

Die Kiesel unter mir werden größer und poltern, dass der Boden bebt. Riesige Felsbrocken stürzen übereinander, wie ein gewaltiger Erdrutsch. Doch der ist weit weg und bedroht mich nicht. Vielleicht habe ich mich nur an das Strukturprinzip von wiederkehrenden Wellen anschwellenden Geräuschs, donnerndem Kulminationspunkt und folgender Stille gewöhnt.

Keine Schluss-Harmonie

Auf die beruhigende Harmonie der Natur warte ich zum Schluss freilich vergebens. Ein Brausen entsteht, das diesmal von oben zu kommen scheint. Die rötlich düstere Kuppel lastet tief. Es dröhnt wie Flugzeuge, und wir hocken im Luftschutzkeller. Wenn es wieder einigermaßen hell wird und die anderen locker aufstehen, bleibe ich verstört sitzen. Sie hatten gewiss andere Assoziationen.

Dimitri de Perrot ist ein international aktiver Klang-Künstler und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Das EinTanzHaus pflegt zu ihm seit mehreren Jahren Kontakt. 2019 zeigte es dessen Installation „Myousic“. Im vergangenen Jahr gastierte „Niemandsland“ auf seine Vermittlung zu den Schillertagen im Nationaltheater. Nach der Premiere in Zürich am 7. November ist die Mannheimer Fassung von „Unter uns“ ein Bonbon für Liebhaber des Außergewöhnlichen.

Info

Auf eine erste Staffel von elf Aufführungen folgt eine zweite: Donnerstag, 28. November, um 18, 19.15 und 20.30 Uhr. Freitag 29. November, und Samstag 30. November, um 18, 19.15. 20.30 und 21.45 Uhr. EinTanzHaus G4, 4, [email protected]

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